Leinen
statt FenderVon Silvio Kippe,
Segelinstruktor
VSSS |
"Gute Seemannschaft" oder
"Hohe Schule" besteht sehr oft nur darin, kleinere
Unannehmlichkeiten elegant (=ohne viel Aufwand und Kraft) zu
meistern. Beispiel: Steht Schwell in den Hafen während die
Jachten längsseits am Steg in einer engen Parklücke liegen,
kann man sehr häufig beobachten, wie die Schiffe wie wild an
den Bug/ Achterleinen zerren und mit ihren Breitseitstössen
Stegbalken oder Pfosten malträtieren, derweil die sogenannten
Springs (sofern überhaupt gesetzt) lahm an der Bordwand
herunter hängen... Solch ein Anblick tut mir weh bis ins Mark,
wenns in den Mitschiffsspanten knackt und an den Klampenwurzeln
reisst wie beim Zahnarzt.
Ein Segelboot liegt bei Schwell längsseits
nur dann einigermassen ruhig, wenn zwei lange und gleich
lange Springs wie Violinsaiten gespannt sind; sie sollen
sich dabei möglichst beim Schwerpunkt, bzw. dort kreuzen, wo der
Rumpf am breitesten ist. Die Vor- und die Achterleine hingegen
müssen so viel Lose haben wie möglich: so viel, dass das Heck
oder der Bug den Steg oder einen Pfosten knapp nicht
berühren kann, wenn der Schiffskörper seitlich ausbrechen
möchte. So vertäut kann sich das Boot in Längsrichtung
gerade mal soviel bewegen, wie es die Elastizität der Springs
gestattet (einige wenige Zentimeter), und die seitlichen Stösse
werden auf ein absolutes Minimum reduziert. Im Idealfall
brauchen wir so nur noch einen Fender. Überhaupt gilt: je
weniger Fender wir brauchen, desto besser haben wir das Schiff
vertäut!
Das gilt auch fürs Anlegen in Boxen, wenn
kräftiger Schwell steht: Man führt zwei Vorsprings von den
Bugklampen nach hinten auf die Boxenpfosten. So ist das Schiff
längsseits gegen den Pier hin elastisch gesichert. Nach hinten
genügt eine Achterspring vom Pier auf die Genua-Winsch im
Cockpit. Mit der Winschkurbel kräftig spannen bis auf den
nötigen Sicherheitsabstand vom Pier zum Bugbeschlag. Jetzt
brauchts noch zwei möglichst lange Leinen vom Bug fast parallel
zum Pier bis zu den Ringen der Nachbarboxen, um das Boot
seitlich zu fixieren. Auch zwischen den Pfosten soll das Boot
achtern möglichst übers Kreuz gesichert werden. Diese Leinen
sollen aber wiederum so viel Lose haben, dass sich der Schiffsrumpf seitlich bis wenige Zentimeter vor die Pfosten
bewegen kann. So liegt das Boot ruhig und auch die Crew findet
einen guten Schlaf.
aus:
Die Seekiste, Nr. 3
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